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Tendence in Frankfurt

Hessischer Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk 2015

Zum 65. Mal jährt sich die Verleihung des Hessischen Staatspreises für das Deutsche Kunsthandwerk auf der internationalen Konsumgütermesse Tendence in Frankfurt. Der mit insgesamt 8000 Euro dotierte Preis würdigt das künstlerische Schaffen in Kunsthandwerk und Design. Der erste Preis zeichnet die Skulpturen der Flechtgestalterin Diana Stegmann aus. Gleich zwei Mal vergab die Jury den zweiten Preis – er ehrt die Keramikgestalterin Doris Bank und die Lichtkünstlerin Anke Neumann. Alle drei Preisträgerinnen waren mit ihren Objekten auf dem Areal des Talents-Förderprogramms Modern Crafts anzutreffen.
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Der Hessische Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk 2015 wurde am 31. August 2015 durch Staatssekretär Mathias Samson, Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, sowie Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt, im Rahmen der Tendence verliehen. „Gute Form ist nachhaltig“, so Staatssekretär Samson in der Feierstunde am Montagabend in der Galleria der Messe Frankfurt. „In ihr drückt sich Kreativität ebenso aus wie Achtung vor dem Material. Design ist aber auch ein Faktor, der über den Erfolg eines Produkts entscheiden kann. Mit ihren durchdachten und perfekt umgesetzten Gestaltungsideen geben Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker schöpferische Impulse für viele andere Branchen. Daher ist die Unterstützung des Kunsthandwerks nicht nur Kultur-, sondern auch Wirtschaftsförderung.“

Die Jury bestand aus fünf Experten des gestaltenden Handwerks: Neben dem ersten Preisträger des letzten Jahres, Christoph Finkel, freischaffender Holzkünstler aus Bad Hindelang, sind das Adam Ryl, Preisträger des Jahres 2013 und tätig an der Werkakademie für Gestaltung im Handwerk Hessen in Kassel. Ebenso wie Lutz Schell-Peters, der Leiter der Werkakademie und ebenfalls Jurymitglied ist. Als Referatsleiter Kultur- und Kreativwirtschaft, Medienwirtschaft und neue Medien vertritt Rolf Krämer das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung in Wiesbaden. Karin Bille spricht für die Beratungsstelle Formgebung der Arbeitsgemeinschaft Handwerkskammern Rheinland-Pfalz.

1. Preis: Diana Stegmann, freischaffende Flechtgestalterin, Wendland – Skulpturales Weidengeflecht mit Bodenhaftung
Die Jury zeichnet die Arbeit von Diana Stegmann mit dem 1. Platz des Hessischen Staatspreises für das Deutsche Kunsthandwerk aus. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass Stegmann mit ihrer kreativen Neugier eine der ältesten Handwerkstechniken – das Flechthandwerk – neu interpretiert habe. Sie schaffe es, dass die Weidenflechterei über die sonst erlebte Funktionalität handwerklich weit hinausgehe. Ihre Objekte seien eine hervorragend gelungene Kombination aus handwerklicher Tradition und künstlerischer Moderne.

Als Korbflechterin kann man Diana Stegmann tatsächlich nicht bezeichnen. Eher als Virtuosin in der Flechtkunst, die ihr an der Staatlichen Berufsfachschule für Korbflechterei in Lichtenfels gelerntes Handwerk mit einem tiefen Verständnis für die Form verbindet und konsequent weitertreibt. „Der Begriff ´Korb´ weist zu sehr auf die Verwendung des Objekts hin – mir geht es in erster Linie um das Material, mit dem ich arbeite: die Weide.“ Stegmann konzentriert sich bei ihrer Materialwahl auf die Weidenrute, da sie traditionell in Europa vorkomme und verarbeitet werde und – trotz eines erstaunlichen Farbspektrums der Objekte – von Stegmann nur in unbehandelter Form Verwendung findet.

Auch technisch entfernt sich Stegmann radikal von der Flechtkunst. Sie verwendet hauptsächlich die Spitzen, und nicht wie traditionell üblich, die längeren Ruten der Weide. In ein Geflecht aus vertikalen Staken arbeitet sie die verhältnismäßig kurzen, daher schwer zu verankernden Weidenspitzen horizontal ein. Sie ragen in festgelegter Länge spitz aus dem Objektkörper heraus, „geben die Innenform nach außen“ und stellen für Stegmann eine „sichtbar gemachte flechterische Bewegung“ dar. Die geschwärzten Enden der Spitzen verstärken die Wirkung der nach außen getragenen Form zusätzlich. „Meine Objekte sind auf ihre Art sperrig, sie haben etwas Kontroverses in sich.“ Jede Seite zeigt sich anders, bei manchen Objekten ist erst in der Draufsicht die wahre Gestalt des Objekts erkennbar.

Für die Jury steht fest: „Stegmann versteht es meisterhaft, ihre hohe handwerkliche Kompetenz und ihre kreative Gestaltungskraft im Zusammenspiel von Flechten und Material einzusetzen. In jedem ihrer Objekte manifestiert sich eine erstaunliche Kunstfertigkeit und eine hohe Materialästhetik. Die geflochtene Gesamtform des Körpers ist in sich organisch und fließend und vereint den Gegensatz einer weichen Flechtform und einer stacheligen Außenoberfläche in einer außergewöhnlichen Art und Weise.“

2. Preis: Anke Neumann, Lichtpapier, Chemnitz – Filigranes Papier- und Lichtwerk zwischen Tradition und Moderne
Die Lichtkünstlerin Anke Neumann erhält den zweiten Platz des Staatspreises. Neumann überzeugte die Jury mit der Formensprache ihrer Lichtskulpturen oder -flächen, ihrer Kombination aus filigranem Papier und Licht: „Hier wird noch Handwerk und Kunst betrieben, und jede Leuchte ist ein handgefertigtes Kunstobjekt. Handgemachtes Papier wird auf ungewohnte Weise zum Leuchten gebracht. Modifizierte, optische Fasern transportieren das Licht, einer Zeichnung ähnlich, durch die Papierfläche hindurch und erzeugen vielfach ausdruckstarke Stimmungen.“

Als Facharbeiterin für Textiltechnik begann die Ausbildung von Anke Neumann, bei der sie ihr „Faible für Fasern“ entdeckte. Ein Papier-Workshop im Studium gab den Ausschlag, sich mit diesem Werkstoff intensiver auseinanderzusetzen und die Tradition des Papierschöpfens aufzugreifen: „Ich bin der Meinung, Menschen müssen mit den Händen arbeiten.“

Heute arbeitet die studierte Designerin in eigener Werkstatt in Chemnitz. Sie lässt aus Papierfasern ganze Flächen oder umhüllende Papierformen entstehen, die mit filigran eingearbeiteten Lichtleitfasern durchzogen werden. Anders als in der herkömmlichen Nutzung der Lichtleiter vorgesehen, bearbeitet Neumann die Licht-Fäden, modifiziert sie derart, dass Licht bewusst unterwegs verloren geht: „Ich mache das Prinzip der Übertragung von Licht sichtbar.“ Dazu leitet sie Licht über Papier weiter, experimentiert mit dem Zusammenspiel zwischen Material und Licht – und schlägt damit eine Brücke zur Moderne. „Mir ist es wichtig, dass es eine Einheit ist – nicht nur die Struktur im Papier, sondern dass die Objekte eine Stimmung erzeugen. Das Licht macht ja etwas mit einem.“

Die Jury findet dafür folgende Worte: „Diese Kombination aus Licht und Papier macht es möglich, der Tradition des Handpapiermachens neue Impulse zu geben. Licht befindet sich damit im und nicht auf dem Papier und lässt Lichtskulpturen entstehen, die im Raum zu schweben scheinen und ihm Magie und Poesie verleihen.“

2. Preis: Doris Bank, Keramikdesignerin, Miltenberg – Transluzentes Porzellan in schlichter Form und aufwändiger Verarbeitung
Aus dem Bereich der Keramikgestaltung kommt die Preisträgerin Doris Bank aus Miltenberg, die sich den zweiten Platz des Staatspreises mit Anke Neumann teilt. Die filigranen und handgefertigten Stücke der Keramikdesignerin überzeugten die Jury durch die Raffinesse des Entwurfs. Hier zeige sich die Beherrschung formaler Aspekte und feinfühliger Materialbehandlung in besonderer Weise: „Die Unikate wirken völlig unangestrengt und überzeugen in Form und Gestaltung.“ Tatsächlich werden Banks geradlinige Keramiken als sehr lebendig wahrgenommen und lassen Raum für eigenes Empfinden.

Ihre Objekte verkörpern das Handgemachte, das Unikat. Dennoch sollen sie „schönes Geschirr sein“ und benutzt werden können. Mit den Worten der Künstlerin gesagt: „Es lebt. Und das gefällt mir: Die Teile erhalten Lebendigkeit, weil die Teile machen, was sie wollen.“ Die Inspiration für die Formensprache ihrer Linie „Shade“ zieht Bank aus der ihren Objekten eigenen „Imitation der Licht-Schatten-Wirkung“: Bank setzt diesen Gedanken in einer schlichten, aber konzentrierten Gestaltung der Form um.

Ihre Spannung erhalten die Werke durch den Kontrast der Dekoration – der dunklen Farbe – auf dem durchscheinenden, sehr weiß ausgearbeiteten Porzellan. Um diese Wirkung zu erzielen, wählt Bank hochwertiges Material als Rohstoff. Trotz der aufwändigen Verarbeitung ihrer Werkstücke nähert sich Bank zunächst spielerisch verschiedenen keramischen Materialien, experimentiert mit den Eigenschaften, sucht Grenzen, um sie zu durchbrechen.

Fazit der Jury: „Die prätentiöse Verarbeitung verstärkt dabei den Gesamteindruck. Hervorzuheben ist die sensible Oberflächengestaltung bei gleichzeitig herausragender handwerklicher Verarbeitung des Werkstoffes Porzellan. Es ist ein stringentes, innovatives Produktkonzept für Objekte, die oft auf ihre reine Gebrauchsfunktion reduziert sind.“

Der Hessische Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk wurde 1951 als erster Staatspreis in Deutschland auf Anregung von Kunsthandwerk Hessen e. V. vom damaligen hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn gestiftet. Er wird traditionell im Rahmen der Frankfurter Konsumgütermesse Tendence verliehen.

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