Liebeserklärung an unsere Erde
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Nikolay Kazakov
In einer Welt, die sich angesichts des Klimawandels rasant verändert, ermöglicht die Ausstellung „I Feel the Earth Whisper“, der sinnlichen Schönheit der natürlichen Welt und unserer Verbundenheit mit ihr nachzuspüren – anhand der Installationen von Bianca Bondi, Julian Charrière, Sam Falls und Ernesto Neto. Die von Patricia Kamp und Jérôme Sans kuratierte Schau umfasst Skulptur, Malerei, Video und Fotografie und lädt dazu ein, sich als Teil der Natur zu begreifen und die Rolle als respektvolle Hüter wieder einzunehmen.
Die ausgestellten Arbeiten der Künstler, die hier erstmals zusammenkommen, lenken unseren Blick nicht nur nach draußen auf die Naturlandschaften, sondern holen die lebendige Welt ins Museum. Sie schaffen Räume, die dazu inspirieren, ein tiefes Gefühl der Harmonie mit der belebten Erde zu wecken.
Indem sie Fäden der Mythologie, Kosmologie und Ökologie verwebt, beleuchtet „I Feel the Earth Whisper“, wie sich die moderne westliche Welt durch Kommerzialisierung der Natur von der Erde, ihrer Lebendigkeit und Weisheit entfremdet hat. Die Schau meidet eine nostalgische oder idealistische Rückkehr zum Ethos der Naturbewegungen der 1960er Jahre, plädiert vielmehr für eine umfassende Wiederentdeckung und Untersuchung der oft vergessenen Ausdrucksformen der Natur.
Der Drang der westlichen Gesellschaft zur Rationalisierung und Säkularisierung hat zu einem Verlust der Magie, des Mysteriums und der tieferen Bedeutung geführt, die einst in unserem Verhältnis mit der natürlichen Welt zu finden waren. Diese Entwicklung hat zu einer zunehmenden Ausbeutung und Vernachlässigung unserer Umwelt geführt.
„I Feel the Earth Whisper“ entlarvt die naive Annahme, dass die Menschheit die Natur kontrollieren kann. Sie setzt sich für einen Heilungsprozess und eine erneuerte Demut gegenüber der Größe der Schöpfung ein: Sie ermutigt uns, eine empfindsame Beziehung mit den natürlichen Welten zu pflegen, die unsere gegenseitige Abhängigkeit anerkennt.
Alle Installationen der Künstler betonen unsere Rolle als Akteure des Wandels und halten uns dazu an, unser Verhältnis zur natürlichen Welt mit radikaler Intimität wahrzunehmen und uns zu erinnern: Unser Körper ist untrennbar mit dem Erdreich verbunden, in unseren Adern fließt dasselbe Wasser wie in den Flüssen, und unsere Lungen sind eins mit den Bäumen.
Vier Präsentationen – eine Ausstellung
Sams Falls’ Ausstellung „Waldeinsamkeit“ vereint Arbeiten aus Heilsteinen, Keramik, Gussglas und Leinwänden. Eigens für das Museum Frieder Burda konzipiert, schuf der Künstler eine ortsspezifische Arbeit im umliegenden Schwarzwald, indem er mit den Kräften der Natur und der charakteristischen Flora Baden-Badens arbeitete. Hierbei fing Falls natürliche Prozesse ein, indem er eine große Leinwand im Wald auslegte und darauf Blumen und Zweige platzierte, die im Laufe der Zeit gespenstische Abdrücke hinterließen, während Pigmente mit Sonne, Regen und Zeit reagierten.
Sam Falls ist 1984 in San Diego, USA, geboren. Er studierte am Reed College in Portland, Oregon, und am International Center of Photography in Annandale-on-Hudson, New York. Sam Falls erforscht Zeit, Ort und Vergänglichkeit, indem er fotografische Parameter mit Naturelementen verknüpft und so eine unverwechselbare Formensprache schafft. Er lebt und arbeitet in New York.
Bianca Bondis Installation „Salt Kisses My Lichens Away“ beschwört Anklänge an mystische Sagen aus dem Schwarzwald und der badischen Geschichte herauf. Indem sie die Grenzen zwischen Außen- und Innenraum verwischt, wirkt die Installation in der Architektur von Richard Meier wie ein wildes, atmendes Haus, in dem Wandteppiche und Tapeten mit Moos, Wasser und Pflanzenleben koexistieren. Diese immersiven Umgebungen fordern die Wahrnehmung der Betrachter heraus und rufen ein Gefühl des Unsichtbaren oder Spirituellen hervor. Bondis dynamische Installationen entwickeln sich im Laufe der Zeit durch chemische Prozesse, wodurch Themen der Transformation und des Zeitverlaufs hervorgehoben werden. Sie dienen als eindringliche Erinnerung an die fragile Schönheit unseres Ökosystems und die Notwendigkeit einer symbiotischen Beziehung mit unserer Umwelt.
Bianca Bondi ist 1986 in Johannesburg, Südafrika, geboren. Sie studierte an der École Nationale Supérieure d'Arts de Paris-Cergy. Ihre künstlerische Praxis konzentriert sich auf die Aktivierung von Alltagsgegenständen durch chemische Reaktionen, oft mit Meerwasser. Die Künstlerin interessiert sich intensiv für Ökologie und okkulte Wissenschaften. Sie lebt und arbeitet in Paris.
Julian Charrière präsentiert in seiner Ausstellung „Where Clouds Become Smoke“ eine Reihe von Projekten, die sich mit der komplexen Verflechtung von Mensch und Natur auseinandersetzen und die Besucher einladen, über ihre eigene Rolle im ökologischen Gleichgewicht unseres Planeten nachzudenken. Dabei verbindet Charrières neuestes Projekt „Calls for Action“ einen partizipativen Kunstansatz mit Landschaftsschutz und nutzt eine Live-Videoverbindung zwischen dem Schwarzwald in Baden-Baden und einem Küstenwald in Ecuador, die es Besuchern erlaubt, sich als Teil der Vernetzung unseres Planeten zu erfahren und aktiv zu werden.
Integraler Bestandteil von „Calls for Action“ ist die Möglichkeit für die Öffentlichkeit, direkt zu den Naturschutzbemühungen beizutragen, die vom Museum Frieder Burda und dem Künstler mit einer großzügigen Spende initiiert wurden. Diese Spende gewährleistet den dauerhaften Erhalt des gezeigten Ökosystems in Ecuador.
Julian Charrière ist 1987 in Morges, Schweiz, geboren. Der französisch-schweizerische Künstler studierte an der Universität der Künste Berlin bei Olafur Eliasson. In seinen Projekten erforscht Julian Charrière Vorstellungen von Natur und deren Veränderung über geologische und menschliche Zeiträume hinweg. Er lebt und arbeitet in Berlin.
Ernesto Neto gestaltete mit „The Birth of Contemporous Blue Tree“ einen Raum der Harmonie und Heilung: Speziell für die Architektur des Museum Frieder Burda konzipierte er eine monumentale Baumstruktur aus handgehäkelten brasilianischen Baumwollstoffen. Der Baum, der für Neto die Verbindung zwischen Erde und Himmel symbolisiert, enthält Pflanzen, aromatische Kräuter und Gewürze. Umgeben von einem 13 m hohen Stoff-‘Regen‘ dient die Installation sowohl als Zufluchtsort als auch als Spielplatz und lädt die Besucher ein, mit allen Sinnen einzutauchen, sich hinzulegen, zu tanzen, zu meditieren und die Kraft und Poesie des eigenen Seins in sich nachzuspüren.
Ernesto Neto ist 1964 in Rio de Janeiro, Brasilien, geboren. Er studierte dort an der Escola de Artes Visuais do Parque Lage. Er schafft raumgreifende, alle Sinne ansprechende Skulpturen, die das Verhältnis zwischen Kunst, Natur und menschlicher Erfahrung thematisieren. Ernesto Neto ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler Brasiliens, er lebt und arbeitet in Rio de Janeiro.
Nähere Infos zur Ausstellung und zum Begleitprogramm: www.museum-frieder-burda.de
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