Geschichten aus der Praxis
Die „Geschichten aus der Praxis“ wollen dazu einladen, den Alltag einmal aus der Distanz anzuschauen. Sie sollen zum Nachdenken anregen und Anstoß sein. Die Geschichten bleiben unkommentiert. Es gibt offene Fragen, keine fertige Antwort …
3. Ein Hoch auf Madame Chantale!
3. Ein Hoch auf Madame Chantale!
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Von Zeit zu Zeit passieren auch in Blumenfachgeschäften kleine Wunder und man fragt sich: Was ist hier eigentlich gerade vorgefallen? Oder: Warum ist zu diesem Zeitpunkt ausgerechnet diese Kundin in unseren Laden gekommen? Ein Wink des Himmels? Wenn aus KundInnen FreundInnen werden und aus Verkaufsgesprächen tiefe Begegnungen – sich darauf einzulassen, dazu möchte dieser „Anstoß“ einladen:
Es ist, als wäre es gestern gewesen. Die Türglocke unseres kleinen Blumengeschäfts in Düsseldorf klingelte und da stand sie plötzlich im Laden: Madame Chantale. Eine wirklich imposante Erscheinung: Ende fünfzig, blondiertes hochgestecktes Haar, türkisfarbenes Kostüm, goldene Handtasche, goldene Schuhe und goldener Schmuck – viel goldener Schmuck – und freche pinkfarbene Lippen. Sie war auf der Suche nach Maiglöckchen, und ich weiß noch, dass mein Chef und ich bei dieser ersten Begegnung mit Madame Chantale (so haben wir sie getauft) viel gelacht haben.
Madame Chantale hieß eigentlich Elisabeth Günter, war bereits das dritte Mal geschieden, lebenslustig, kontaktfreudig und hatte etwas, von dem andere nur ganz neidvoll träumen können: Sie hatte Zeit.
In den folgenden Wochen kam Madame Chantale häufiger auf ein Schwätzchen vorbei, mal mit einem Stück selbst gemachter Apfeltorte, mal mit Champagnertrüffeln, mal mit einer Flasche Prosecco. Sie hatte die Gabe, die Welt positiv zu sehen und Menschen zu unterhalten. Auch mit unseren KundInnen war sie stets gut im Gespräch. Sie verstand es, beste Freundin, augenzwinkernde Verführerin und liebevolle Oma zugleich zu sein.
So war es denn auch ihre Idee, einen kleinen Stehtisch für Kaffee, Gebäck, Prosecco und andere „Annehmlichkeiten des Alltags“ in unseren Laden zu stellen. Gesagt – getan.
Gerade zu Zeiten wie Valentinstag, Ostern, Muttertag und Weihnachten war Madame Chantale für uns und unsere Kunden da. Mit Konfekt, Prosecco und Geschichten aus ihrem Leben versüßte sie Wartezeiten. Unsere KundInnen liebten Madame Chantale – und wir übrigens auch. Sie wurde mehr und mehr zur „guten Seele“ unseres Blumengeschäfts.
Geld wollte sie „auf keinen Fall!!!“ für die Zeit, die sie bei uns verbrachte. „Aber“, sagte sie, „ich habe da so eine große Schwäche für Maiglöckchen.“ Sie zwinkerte uns mit ihrem rechten Auge zu, dass ihre künstlichen Wimpern nur so flatterten …
Impuls: Kenne ich in meinem KundInnenstamm auch solche „Engel des Alltags“? Lasse ich Kunden gefühlsmäßig so nah an mich heran oder bin ich eher der kühle Geschäftsmann/die kühle Geschäftsfrau? Wer ist bei uns die „gute Seele“ des Betriebs? Wie ist die Altersverteilung in unserem Team? n
Markus A. Reinhold, Hannover
Es ist, als wäre es gestern gewesen. Die Türglocke unseres kleinen Blumengeschäfts in Düsseldorf klingelte und da stand sie plötzlich im Laden: Madame Chantale. Eine wirklich imposante Erscheinung: Ende fünfzig, blondiertes hochgestecktes Haar, türkisfarbenes Kostüm, goldene Handtasche, goldene Schuhe und goldener Schmuck – viel goldener Schmuck – und freche pinkfarbene Lippen. Sie war auf der Suche nach Maiglöckchen, und ich weiß noch, dass mein Chef und ich bei dieser ersten Begegnung mit Madame Chantale (so haben wir sie getauft) viel gelacht haben.
Madame Chantale hieß eigentlich Elisabeth Günter, war bereits das dritte Mal geschieden, lebenslustig, kontaktfreudig und hatte etwas, von dem andere nur ganz neidvoll träumen können: Sie hatte Zeit.
In den folgenden Wochen kam Madame Chantale häufiger auf ein Schwätzchen vorbei, mal mit einem Stück selbst gemachter Apfeltorte, mal mit Champagnertrüffeln, mal mit einer Flasche Prosecco. Sie hatte die Gabe, die Welt positiv zu sehen und Menschen zu unterhalten. Auch mit unseren KundInnen war sie stets gut im Gespräch. Sie verstand es, beste Freundin, augenzwinkernde Verführerin und liebevolle Oma zugleich zu sein.
So war es denn auch ihre Idee, einen kleinen Stehtisch für Kaffee, Gebäck, Prosecco und andere „Annehmlichkeiten des Alltags“ in unseren Laden zu stellen. Gesagt – getan.
Gerade zu Zeiten wie Valentinstag, Ostern, Muttertag und Weihnachten war Madame Chantale für uns und unsere Kunden da. Mit Konfekt, Prosecco und Geschichten aus ihrem Leben versüßte sie Wartezeiten. Unsere KundInnen liebten Madame Chantale – und wir übrigens auch. Sie wurde mehr und mehr zur „guten Seele“ unseres Blumengeschäfts.
Geld wollte sie „auf keinen Fall!!!“ für die Zeit, die sie bei uns verbrachte. „Aber“, sagte sie, „ich habe da so eine große Schwäche für Maiglöckchen.“ Sie zwinkerte uns mit ihrem rechten Auge zu, dass ihre künstlichen Wimpern nur so flatterten …
Impuls: Kenne ich in meinem KundInnenstamm auch solche „Engel des Alltags“? Lasse ich Kunden gefühlsmäßig so nah an mich heran oder bin ich eher der kühle Geschäftsmann/die kühle Geschäftsfrau? Wer ist bei uns die „gute Seele“ des Betriebs? Wie ist die Altersverteilung in unserem Team? n
Markus A. Reinhold, Hannover
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