Geschichten aus der Praxis
8. „Geschlechterkampf in der Mittagspause“ oder „Die Blumenfee hat abgedankt!“
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Männer in Frauenberufen – Frauen in Männerberufen, das wird immer mehr zu einer Selbstverständlichkeit unserer Zeit. Die Motivation derer, die diesen Schritt gehen, ist hoch, wollen sie sich doch in einem für ihr Geschlecht ungewöhnlichen Beruf behaupten. Ein gemischtes Team bringt Vorteile, aber sicherlich auch Nachteile. Diese Geschichte will dazu beitragen, alte Erziehungsmuster zu verlassen und Chancen im Miteinander der Geschlechter zu erkennen.
Halb eins. Mittagspause in unserem Blumengeschäft. Ich setze mich mit meinen KollegInnen in den Pausenraum. Zwischen Butterbroten und „Fünf-Minuten-Terrine“ wird viel Alltägliches besprochen, die Tageszeitung gewälzt und auch schon einmal in die ein oder andere Fachzeitschrift geschaut. Meine Kollegin Iris bleibt auf einer Seite hängen: „Na da schau her, die neue Blumenfee! Mal wieder blond, natürlich.“
„Was macht denn eigentlich so eine Blumenfee?“ fragt unsere Auszubildende Sina. „Repräsentieren, repräsentieren und nochmals repräsentieren!“, schmettert Altgehilfe Jörg. Eine kleine Diskussion entbrennt in unserer frohen Mittagsrunde über „den Sinn der deutschen Blumenfee“. Fragen werden in die Runde geworfen wie: Muss man eigentlich erst vier Gehilfenjahre haben, um Blumenfee zu werden? Muss die Blumenfee ihre Gehilfenprüfung mit Eins bestanden haben? Ist die deutsche Blumenfee wirklich immer blond? Muss man als Blumenfee einen Eignungstest machen? Hat die deutsche Blumenfee auch mal Hautprobleme? Muss man als Blumenfee von anderen vorgeschlagen werden oder darf man sich selbst anmelden? Die Fragen fliegen nur so durch unseren Pausenraum. Die Diskussion erreicht ihren Höhepunkt, als Jörg unsere Mädels fragt: „Warum wart ihr denn eigentlich noch nie Blumenfee? Ihr seht doch ganz passabel aus und einen Strauß könnt ihr ja wohl binden.“
Empörung bei den Damen. Iris kontert: „Jörg, mach du doch die nächste Blumenfee. Du siehst ja ganz passabel aus und einen Strauß binden kannst du wohl auch!“
Ein Mann als Blumenfee? Ja, warum gibt es das eigentlich nicht?
Die Runde einigt sich darauf, aus der Blumenfee einen Blumenfaun werden zu lassen – so viel Emanzipation muss sein. Und dass die Männer die Floristikbranche genauso repräsentieren können wie die Frauen – na, wer wollte da bei der wachsenden Zahl der Floristen nicht zustimmen?
Jörg hat an der Idee Geschmack gefunden. In Siegerpose stellt er sich auf seinen Stuhl, ein Geschirrhandtuch als Schärpe um die Schulter drapiert und ruft der staunenden Runde zu: „Die deutsche Blumenfee hat abgedankt – hier kommt Jörg, der Erste, der neue deutsche Blumenfaun!“
Ü Impuls: Wie ist die Geschlechterverteilung in unserem Betrieb? Wie ist das Miteinander? Was sind die Vor- und Nachteile von beiden Geschlechtern im Berufsalltag? Welche KundInnen werden lieber von Frauen, welche von Männern bedient? Warum könnte das so sein? Werde ich lieber von einer Frau oder einem Mann bedient?
Markus A. Reinhold, Hannover
Markus A. Reinhold ist Zierpflanzengärtner und Floristmeister. Er studierte mehrere Semester Theologie und arbeitete als Seelsorger.
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