Am Anfang steht das Ziel
Anders als der Spruch, dass viele Wege ans Ziel führen, kann man sich bei der Planung der Wegeführung einer Verkaufsfläche schnell verlaufen und im schlimmsten Fall auch verrennen. Das Ziel zu definieren ist zunächst einfach, fast profan: Geld verdienen. Jedenfalls wäre es aus meiner Sicht klug, denn was bringt ein traumhaft gestaltetes Blumengeschäft, wenn man am vorhandenen Standort nicht die passende Zielgruppe erreicht?
von Anne Effelsberg, Bornheim erschienen am 10.11.2025In meiner Laufbahn als Marketingberaterin habe ich individuell ausgerichtete Betriebe, moderne, konservative, städtische, ländliche überall in Deutschland besucht. Es ging manchmal um „ein bisschen anders“ bis hin zu Neustarts. Immer, wirklich immer, ging es (manchmal auch nur mir) um Zahlen, um die wirtschaftliche Seite.
Wenn es darum geht, die Aufteilung eines Geschäftsraumes zu planen, spielt dieser individuelle Ausgangspunkt eine Rolle: Immer war das persönliche Potenzial der Inhaberin, des Inhabers und das der Mitarbeiter wesentlich. Manchmal auch der Unterschied zwischen den individuellen Kapazitäten und den Ideen, was man wem verkaufen möchte. Nicht zuletzt hängen Raumgestaltung und somit die Wegeführung auch davon ab, mit welchen Produkten man welche Zielgruppen ansprechen möchte. Erfolgreiche Geschäfte kennen ihre Kunden, bieten ihnen die passenden Produkte im entsprechenden Umfeld. Dazu gehört auch, ob und wodurch sich Kundenkreise verändern und erweitern können.
Andere Branchen leisten sich Marketingprofis, orientieren sich an trendigen Läden in „coolen“ Städten. Es lohnt sich in Informationen zu investieren, gerne auch vergnüglich: mal nach Mailand, Barcelona, Berlin, Antwerpen, Zürich oder London fahren… auch Design- und Wohnzeitschriften helfen. Lassen Sie sich zunächst von allem inspirieren, worauf Sie Lust haben. Wenn Sie Begriffe wie Ladengestaltung, Design, Shopdirek, Verkaufsräume usw. googeln öffnet sich per Text oder Bilder die ganze Welt der Möglichkeiten und Unmöglichkeiten, quasi eine übervolle Theke. Danach vergessen und ignorieren Sie einfach alles! Nicht fleißig sein, keine Sammlungen anlegen. Ihr Gehirn und ja, auch Ihr Herz und der Magen brauchen eine Verdauungspause. Irgendwann ist es dann so, dass Ihnen plötzlich eine Idee kommt, ein Detail einfällt – und schwups, ist da, was für Sie selbst wichtig sein könnte. Gefühl und Verstand haben sich zusammen geschaltet und liefern Ihnen persönlich zugeschnittene Details, Angebote. Alles andere: in die Tonne treten. Oder ok: nochmal drüber schauen, ob Sie irgendwo hängen bleiben.
Gliederung des Verkaufsbereichs
Was unterscheidet den Verkauf von beispielsweise Waschmaschinen von unseren Produkten? Wir verkaufen grüne Produkte, es geht um den emotionalen Wert, um Seelennahrung. Unser Marketing, auch die Gliederung des Verkaufsbereiches, ist oft darauf ausgerichtet, Gefühle anzusprechen.
Der Raum: Form und Größe, Position von Türen und Fenstern entscheiden über die Gliederungsmöglichkeiten. Wege ergeben sich daraus. Der Raum ist nie neutral, seine Proportionen sagen etwas aus. Glück haben Sie, wenn der Raum leer ist, wenn Sie ihn betreten. Gehen, schlendern Sie, schauen rein und raus, zu verschiedenen Zeiten. Wo mögen Sie im Raum verweilen? Bloß nicht gleich praktisch denken, wie: Aha, da gehört die Kasse hin oder so was. Vieles ist flexibler, als man denkt.
Lassen Sie den Raum auf sich wirken, bevor Sie mit dem Denken anfangen. Die intuitive Wahrnehmung ist tief in uns verankert, sie war in Urzeiten wichtig, um Gefahren und Möglichkeiten schnell zu erfassen. Schauen Sie erst mal, wie Sie sich den ganzen Raum erobern können. Wo befindet sich die Eingangstür, wie erschließt sich der Raum. Also, nicht einfach den Standards folgen, die besagen, dass Kunden gegen den Uhrzeigersinn laufen sollten. Ist die Eingangstüre links, laufen die Kunden eben im Uhrzeigersinn, man sollte möglichst nicht direkt am Eingang eine Richtungsänderung „erzwingen“.
Werden mittlere Flächen wenig frequentiert? Oft habe ich in diesen Fällen einen Hauptweg durch die Mitte nach hinten geplant, wenn es mit dem Eingang passte, um dann einen äußeren Rundweg zu erschließen. Zunächst durch die Mitte (breiterer Weg, knalliger Blickfang am Ende), also einen unbeliebten Bereich. Sie wissen ja, auch im Restaurant wählt mal lieber Plätze in Wandnähe. Da der Blick meist eher zur rechten als zur linken Seite geht, sollte man bei der Gestaltung links darauf achten, hier eher farbintensiv oder mit rasch wechselnden Produkten zu gestalten, um die Aufmerksamkeit zu erhöhen.
Der Raum, um den es geht, ist nicht leer? Dann einmal wie ein Kunde den Raum betreten, sich umschauen. „Beschreiten“ Sie ihn am besten auch gedanklich mit einer Zeichnung, mit dem Grundriss, um möglichst offen zu sein für die Gliederungsmöglichkeiten.
Die Wege erst schaffen und verändern Raumzonen, nun entsteht das Links und Rechts, das Vorne und Hinten.

Plötzliche, also geknickte Abzweigungen fordern Kopfentscheidungen und lenken ab von den Produkten. Im Prinzip also eine eher ungeeignete Vorgehensweise, wenn es um die emotionale Ansprache gehen soll. Gleichzeitig helfen aber auch klare Gliederungen, sich rasch im Raum zu orientieren, und fördern Übersichtlichkeit. Geometrische Strukturen sprechen zwar mehr den Kopf als das Gefühl an, vermitteln aber auch optische Ruhe. Bei sehr vielen Produkten wie Saisonpflanzen oder vielen Sortimenten kann dies ein probates Mittel gegen Reizüberflutung sein.



Schlendern oder rasch zum Ziel? Hier geht es um die wichtigsten Entscheidungen: Haben Sie ein kleineres Geschäft oder Bereiche, in denen die Kunden rumstöbern oder verweilen sollen, dann macht eine organische Wegeführung Sinn oder das Kreieren eines kleinen Raumes im Raum. Soll der Kunde sich rasch in einem großen Raum oder bei einer Vielzahl an Sortimenten orientieren können, dann sind gerade Wege, symmetrische Anordnungen und große Farbblöcke hilfreich.
Je höher die Verweildauer, umso eher eine positive Kaufentscheidung. Anne Effelsberg
Blickfang: Am Ende des Weges sollte der Blick auf einem Produkt in Augenhöhe verweilen. Hier platziert man ein Imageprodukt oder etwas, was zeitnah den Besitzer wechseln sollte. Während man läuft, fällt der Blick zwecks Orientierung immer wieder auf den Endpunkt, ihn nimmt man am längsten wahr. Ist alles ähnlich groß und ähnlich hoch, wird das Auge (also eigentlich das Gehirn/die Wahrnehmung) nicht gestoppt, es gibt keine Fokussierung. „Stopper“ sind wichtig (Farbakzente, besondere Größen) auch Hintergründe gegen Reizüberflutung.
Distanz: Zur Wegeführung gehört, was in Augenhöhe passiert. Es gibt also einen „Leitpfad“ für die Füße und einen für die Augen. Beim Platzieren von Produkten wichtig: immer wieder auf Distanz gehen und dann entscheiden.
Keine Sackgasse! Planen Sie immer einen Rundlauf. Ich habe ein paar Geschäfte in Erinnerung, in denen die allerkleinste Variante nicht ging (außen schmale Regale, in der Mitte ein Tisch). Dann eben schmale Warenträger außen und ein breiterer Laufweg.
Wegebreiten: Abhängig von vielem, auch von der Größe. Grundsätzlich nicht weniger als einen Meter, je nach Funktion und Konzept auch zwei Meter. Hauptwege breiter als Nebenstrecken, geknickte Wegeführungen breiter als gerundete oder diagonale.
Flächen und Strecken: Eine wichtige Erkenntnis: Flächen sind schwieriger zu gestalten als Strecken. Steht man vor einer Fläche, muss das Auge (also das Gehirn) alles auf einmal speichern, in kurzer Zeit viele Informationen verarbeiten. Geht man eine Strecke entlang, passiert das nach und nach (Verweildauer, Sie wissen schon).
Zwei Beispiele dazu: In einem Gartencenter blieb der Umsatz der Bundware Tulpen weit hinter den Erwartungen zurück, dabei waren sie nett auf einer großen Fläche mit Paletten sortiert. Abends räumten wir um, alles weniger attraktiv auf dem Boden, aber in einer sehr langen Strecke. Und siehe da, der Umsatz stieg und blieb hoch, in dieser und der Folgewoche. Das Gleiche habe ich mehrfach getestet, immer erfolgreich. Ein anderes Beispiel: Ein Blumengeschäft wollte aus personellen Gründen weniger Adventswerkstücke produzieren, bitte aber unauffällig. Statt wie sonst auf Einzeltischen wurde auf aneinander gestellten Biertischen aufgebaut. Anzahl und Auswahl wurden von den Kunden sehr gelobt.

Drinnen und draußen: Zum Raum gehört nicht nur das, was man sieht, wenn man hineinblickt. Sondern auch das, was man sieht, wenn man hinausblickt. Ganz wichtig! Zu oft schau ich von drinnen über lange Strecken auf Parkplätze, in Fußgängerzonen usw. Dann bitte etwas schönes Verkaufbares vor einem Hintergrund platzieren.


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