Wie könnte die Zukunft der Ausbildung aussehen?
Rupert Fey hat sich in seiner Kolumne "Impulse", die regelmäßig in florieren! erscheint, Gedanken zu den Ausbildungszahlen in der Floristik gemacht und skizziert, wie er sich eine moderne Ausbildung ohne Rücksicht auf Bestehendes vorstellen kann. Dazu kamen via Social Media, als auch per Leserbrief Reaktionen aus der Branche, die wir hier zusammengetragen haben, um zum Start des Ausbildungsjahres 2023/2024 den Diskussionsfaden noch einmal aufzunehmen.
- Veröffentlicht am

"Ohne gravierende Änderungen werden wir keine großen Schritte nach vorne machen"
Etwa 8.000 Florist(inn)en wurden laut Statista 2001 ausgebildet, 2021 waren es nur noch etwa 2.000. Also nur noch ein Viertel. Auch wenn sich die Kurve abflacht und wir in den nächsten 20 Jahren nur insgesamt die Hälfte verlieren, sind es 2040 nur noch 1.000 (!). Wir beschränken uns mal darauf, was das für die Ausbildung bedeutet – nicht als Vorwurf, sondern zum Nachdenken und von außen betrachtet. Schon heute ist die Berufsschule faktisch am Ende. Die Klassen können kaum besetzt werden, weder mit Schüler( inne)n noch mit kompetenten Lehrer( inne)n. Wie denn auch, bei 2.000 Personen in ganz Deutschland! Ehrlicherweise müssen wir auch über die Qualifikation der Azubis nachdenken.
In der Beratung stellen wir in schwierigen Situationen folgende Frage: „Was würden wir machen, wenn wir neu anfangen müssten?“ Ich möchte skizzieren, wie ich mir eine Ausbildung ohne Rücksicht auf Bestehendes vorstelle. An nur noch vier Standorten mit je 500 Azubis haben wir die besten Lehrer der Branche am Start. An jedem Standort gibt es je zehn Klassen mit 25 Auszubildenden pro Lehrjahr (bei zwei Lehrjahren). Im Blockunterricht an tollen Standorten werden Kreativität und Lernbereitschaft enorm gepusht. Dazu gibt es digitale Formate, E-Learning für die Theorie, vielleicht auch regionale Praxis-Doppeltage in Kooperationen mit Groß- oder Abholmärkten.
Ja, diese Ausbildung wird richtig teuer. Das ist nichts mehr für die, die „nichts anderes gefunden“ haben. Sind wir so ehrlich, dass wir die Zukunft mit diesen Kräften leider nicht gestalten können? Ein Effekt kommt sofort: Die Auswahl der Azubis wird besser und dann wächst auch das Image der Branche. An diesen vier Standorten (oder nur zwei davon) gibt es auch eine Meisterausbildung mit Überschneidungen bei den Lehrkräften. Das hält beides zusammen und fördert das Niveau.
Die ganze Ausbildungsordnung wird drastisch angepasst – von den Inhalten bis zu mehr kaufmännischem Wissen, Kundenberatung und digitalem Marketing. Selbst „Ausbildung“ generell sollten wir infrage stellen. Aus meiner Sicht sollte es eine (Quereinsteiger)-Weiterbildung geben, ein duales Studium „Kreativ Floral Designer“ und darauf aufbauend einen Master-Kurs.
Ich sehe schon das Kopfschütteln bei den Verantwortlichen und natürlich kann ich auch nicht alles bewerten und abschätzen. Aber ohne gravierende Änderungen werden wir keine großen Schritte nach vorne machen. Kleine Schritte reichen längst nicht mehr. Alles ist nur ein allererster Wurf an einem Wochenende nach langen Beobachtungen bei Kunden und in der Branche. Ohne Anspruch auf Perfektion. Und wie bei so vielen Sachen, wäre alles vor 10 bis 15 Jahren leichter gewesen.
Jedenfalls hilft es nicht weiter, wenn man sagt: „Bei uns war es auch nicht besser, da müssen die durch.“ Das machen junge Leute nicht, das sehen wir ja an den Zahlen! Und sind wir es der nächsten Generation nicht schuldig, dass sie eine bestmögliche Ausbildung bekommt? Damit sie in einer modernen Welt Kreativität und Florales leben und zeigen können?
"Das Thema muss angegangen werden!"
Ob nun der Vorschlag mit nur noch vier Schulen praktikabel ist, weiß ich nicht. Aber wir brauchen nicht nur Meistergestalter, sondern auch Handwerker an der Basis, die für das Tagesgeschäft ebenso geeignet sind wie das kreative Top-End. Ich hatte letztens ein interessantes Gespräch mit dem Schulleiter eines Berufsbildungswerkes. Da ging es auch um das Thema, aber eben auch um das Low-End.
Es gibt viele junge Menschen, die in den Ausbildungen auf der Strecke bleiben und Unterstützung brauchen. Unser Beruf kann diese jungen Leute unterstützen und anleiten, weil wir einfach viel Sozialkompetenz haben. Aber wir können diese Menschen nicht bezahlen.Da wir eh ein Niedriglohnsektor sind, kann ich nicht für eine junge Auszubildende 1.000-1.500 Euro im ersten Lehrjahr bezahlen, wenn diese noch speziell angeleitet werden muss. Und da meine ich nicht Lesen und Schreiben, sondern Sozialkompetenz im Allgemeinen.
Ich hätte mir gerne in den letzten 20 Jahren finanzielle Unterstützung bei der Ausbildung gewünscht, anstatt die Menschen in den zweiten und dritten Arbeitsmarkt zu parken und von einer Maßnahme in die nächste zu schicken. Das war das Thema des Gesprächs und wir wollen das mit einigen Bildungsträgern und dem Arbeitsamt weiterverfolgen.
Mein Vorschlag wäre also, die Floristik zweizuteilen. In eine High-End Ausbildung mit dem Meister am Ende und eine Basis Ausbildung von benachteiligten Menschen, die wir in den ersten Arbeitsmarkt bringen können. Wenn wir realistisch sind: Die Mitte ist für uns erst mal verloren. Da ändern auch 15-20 Euro Lohn nichts als Anreiz.
Ina und Manfred Fiedler, Blumen Fiedler, Zickau
"Der Beruf ist so vielschichtig, wie kein anderer"
Das ist ein sehr spannendes aber auch schwieriges Thema. Rein von den genannten Zahlen klingt es erstmal logisch die Auszubildenden auf vier Schulen aufzuteilen. Unser Geschäft befindet sich in Westsachsen und wir haben jetzt schon das Problem, dass wenn die Praktikanten nachfragen wo sich die Berufsschule befindet, wir das 150 km entfernte Wurzen oder 130km entfernte Dresden nennen müssen. Das ist natürlich ohne die optimale und kostengünstige Unterbringung ein KO-Kriterium für viele...
Und wenn es darum geht, ob ich meinen Kindern den Beruf empfehlen würde? Also rein aus meiner persönlichen Überzeugung heraus würde ich den Beruf empfehlen. Weil er so vielschichtig ist wie kein anderer. Die Voraussetzung dafür ist nur immer die Liebe zur Arbeit und das Engagement etwas zu schaffen.
Ich finde allerdings dass heutzutage alles nur noch auf den finanziellen Aspekt des Berufes oder der Ausbildung heruntergebrochen wird. Und somit unser Berufsstand noch minderwertiger gemacht wird. Es geht nur noch darum wie viel Geld man doch verdient. Und nicht ob das eventuell auch Spaß macht und man Freude an der Arbeit hat.
Johannes Wilking, Blumen Wilking Bielefeld
Die Lehrinhalte müssen verbessert werden
Vier Berufsschulen? Da gibt es heute noch mehr Meisterschulen in Deutschland, glaube ich. Wege und Übernachtung sind extrem teuer und wer zahlt das dann? Die Lehrinhalte müssen verbessert werden. Wir dürfen nicht nur künsteln im Beruf, sondern auch lernen effektiv zu arbeiten. Die Entlohnung, bereits in der Ausbildung muss anderen Berufen gleichgestellt werden, später dann ohnehin.
Eins wird aber wahrscheinlich immer bleiben, nämlich stehen, laufen, arbeiten auch Freitags und Samstag, dreckige Hände und vieles mehr. Aber nicht verzagen, sondern mutig voran. Viele Probleme kann man entschärfen.
Leserbrief zum Kommentar von Rupert Fey
Kein guter Wurf
Lehrkräfte und Berufsschüler/-innen der Fachabteilung Floristik und Gartenbau an der Staatlichen Berufsschule III Straubing – Marianne-Rosenbaum-Schule diskutierten im Unterricht Rupert Feys Impulse bezogen auf die Zukunft von Berufsschulen. Anschließend verfassten sie einen Leserbrief, der in der Ausgabe 7|8-2023 von florieren erschienen ist und auf unserer Homepage nachgelesen werden kann: Kein guter Wurf - florieren! (florieren-online.de)
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.